Covid-19-GesetzeOpposition begrüßt „offenes Ohr“ der Regierung 

Covid-19-Gesetze / Opposition begrüßt „offenes Ohr“ der Regierung 
Wenn Gaststätten entweder gegen die Einhaltung der Sperrstunde verstoßen oder Stehplätze anbieten, drohen ihnen die Schließung und Strafen von bis zu 4.000 Euro Foto: Editpress/Julien Garroy

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Trotz punktueller Kritiken scheint die parlamentarische Opposition mit den Covid-19-Gesetzen, die die Regierung am vergangenen Freitag vorgelegt hat, größtenteils einverstanden zu sein. Rechtliche Detailfragen sollen über Abänderungsanträge geklärt werden. Nach zwei Sitzungen am Dienstag und am Mittwoch sollen die Gesetzesprojekte am Freitag erneut in einer parlamentarischen Kommission besprochen werden. Die Zeit drängt, denn am 24. Juni läuft der „état de crise“ aus. Bis dahin muss das Parlament die Gesetze angenommen haben. Ansonsten könnten die Einschränkungen der Freiheiten zur Eindämmung des Coronavirus ihre rechtliche Grundlage verlieren. 

Zweieinhalb Stunden tagte am Mittwochnachmittag ein gemeinsamer parlamentarischer Ausschuss für Gesundheit und Justiz im „Cercle Cité“ auf der place d’Armes, wo die Abgeordnetenkammer in der Corona-Krise ihre Zweigstelle eingerichtet hat. Auf der Tagesordnung standen die beiden sogenannten Covid-19-Gesetze, die den Ausstieg aus dem „état de crise“ regeln sollen. Staatsminister Xavier Bettel (DP) hatte sie am vergangenen Freitag zusammen mit einem dritten Gesetz im Parlament hinterlegt. Nach einer ersten Sitzung der Gesundheitskommission am Dienstag ging es am Mittwoch eher um juristische Fragen. Trotz einiger Bedenken und Kritik an den beiden Covid-19-Gesetzesprojekten zeigte sich die parlamentarische Opposition nach dem Austausch mit Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) und Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“) zufrieden. Der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar sprach von einer „sehr positiven Sitzung“. Die Ministerinnen hätten die Bedenken der Opposition angenommen und eine Reihe von Abänderungen angekündigt, so Mosar. Der linke Abgeordnete Marc Baum lobte das offene Ohr der Regierung für die Einwände der Opposition an den Texten, die mit „warmer Feder“ geschrieben und mit einigen „Copy Pastes“ versehen seien. Der Präsident des Gesundheitsausschusses, Mars di Bartolomeo (LSAP), unterstrich die Bereitschaft der politischen Mehrheit, den Ausweg aus dem „état de crise“ gemeinsam mit der Opposition anzugehen. Das auf dem Höhepunkt der Corona-Krise gebetsmühlenartig von der Regierung gepredigte „Bleift doheem“ werde nun durch ein „Iwwerhuelt Verantwortung fir äech a fir déi aner“ ersetzt, meinte der LSAP-Abgeordnete.

Das erste der beiden Covid-Gesetze trägt den Titel „Projet de loi portant introduction d’une série de mesures concernant les personnes physiques dans le cadre de la lutte contre le virus SARS-CoV-2 (Covid-19)“ und regelt vor allem die Sicherheitsvorkehrungen, die Privatpersonen im Zusammenhang mit dem Coronavirus nach Ablauf des „état de crise“ am 24. Juni einhalten müssen. Es übernimmt größtenteils die Einschränkungen und Anordnungen, die die Regierung im Rahmen der dritten Lockerungsphase der Ausgangsbeschränkungen per großherzogliches Reglement festgehalten und Premierminister Bettel in der Folge angekündigt hatte. Dazu gehören neben der Maskenpflicht und der Einhaltung physischer Distanz auch sanitäre und rechtliche Verordnungen wie zum Beispiel, dass mit dem Coronavirus infizierte und mutmaßlich infizierte Personen die Gesundheitsbehörden darüber in Kenntnis setzen müssen. Der „Directeur de la santé“ kann bei Verdachtsfällen eine Quarantäne von bis zu sieben Tagen und bei Infizierten eine Isolierung von bis zu zwei Wochen anordnen, die zweimal verlängert werden kann. Ist der Betroffene nicht mit dieser Anordnung einverstanden, muss er innerhalb von drei Tagen Einspruch vor dem Verwaltungsgericht einlegen, das innerhalb von fünf Tagen eine Entscheidung fällen muss.

Verwaltungsgericht soll schneller entscheiden

Diese Frist erscheint insbesondere der größten Oppositionspartei CSV als zu lang, wie der Abgeordnete Laurent Mosar am Mittwoch darlegte. Die Ministerin habe dies eingesehen und versichert, dass die Frist, innerhalb derer das Verwaltungsgericht entscheiden muss, verkürzt werde. Laut Marc Baum habe die Justizministerin angekündigt, die Frist von fünf auf zwei Tage zu reduzieren. „déi Lénk“ hatte zudem bemängelt, dass im Text nicht präzisiert sei, unter welchen Bedingungen eine Isolierung zweimal verlängert werden könne. Dies werde nun dahingehend geändert, dass ein Coronatest durchgeführt werden muss, bevor der Direktor der Gesundheitsbehörde eine Verlängerung anordnen kann, erklärte Marc Baum. Wäre dies nicht der Fall, hätte der Direktor der Gesundheitsbehörde „quasi willkürliche Befugnisse“, so Baum.

Unter bestimmten Umständen erlaubt es das Gesetzesprojekt auch, dass an Covid-19 erkrankte und mutmaßlich infizierte Personen zwangshospitalisiert werden können. Auch gegen diese Maßnahme kann gerichtlich vorgegangen werden.

Für Verstöße gegen die Maßnahmen sieht das Gesetzesprojekt konkrete Sanktionen vor. Polizei und Zoll können Strafzettel im Wert von 145 Euro ausstellen. Bei Nichteinhaltung der Sicherheitsbestimmungen kann das Polizeigericht Strafen zwischen 25 und 500 Euro verhängen. Verurteilungen im Rahmen der Covid-19-Gesetze werden nicht im „Casier judiciaire“ gespeichert und nach einem Monat anonymisiert.

Die Daten von infizierten und mutmaßlich infizierten Personen sollen zu Forschungszwecken gespeichert und erst nach sechs Monaten anonymisiert werden. Die Möglichkeit, gerichtlich dagegen vorzugehen, ist im Gesetz bislang nicht vorgesehen. Während die CSV die Frage aufwarf, ob es sinnvoll sei, die Daten von Menschen zu speichern, die lediglich in Quarantäne waren, hat „déi Lénk“ grundsätzlich nichts an dieser Praxis im Dienst der Wissenschaft auszusetzen. Problematisch sei aber, dass diese Daten an ausländische Gesundheitsdienste weitergereicht werden können, sagte Marc Baum. Auch die Mehrheitspartei „déi gréng“ äußerte vorsichtige Kritik an der Datenspeicherung. Allerdings wolle man erst das Gutachten der nationalen Datenschutzkommission abwarten, bevor man sich dazu äußern könne, sagte die grüne Fraktionschefin Josée Lorsché.

Eigenverantwortung statt Strafen

Das zweite Gesetzesprojekt mit dem Titel „Projet de loi portant introduction d’une série de mesures à l’égard des activités économiques et accueillant un public dans le cadre de la lutte contre le virus SARS-CoV-2 (Covid-19)“ legt die Regeln für Betriebe und Veranstalter fest. Es sieht vor, dass Spielplätze vorerst geschlossen bleiben und physischer Kontakt bei Sportveranstaltungen untersagt bleibt. Restaurants, Bars und Cafés dürfen nur an Tischen bedienen. Alle Tische müssen entweder 1,5 Meter voneinander entfernt oder mit einer Trennwand voneinander abgeschottet sein. An jedem Tisch dürfen maximal vier Personen Platz nehmen, außer sie wohnen im selben Haushalt. Wer nicht sitzt, muss eine Maske tragen, für die Bedienung gilt ebenfalls Maskenpflicht. Sperrstunde ist um Mitternacht.

Für Gewerbetreibende sieht der Gesetzentwurf Strafen von bis zu 4.000 Euro vor, wenn sie entweder gegen die Einhaltung der Sperrstunde verstoßen oder Stehplätze anbieten. Ferner sollen Polizei und Zoll ein Gewerbe oder ein Geschäft schließen können, wenn es sich nicht an diese Sicherheitsbestimmungen hält. Diese Schließung soll aufrechterhalten werden können, bis das Covid-19-Gesetz außer Kraft tritt.

Mit dieser Schließungsbefugnis war die CSV nicht einverstanden. Zoll und Polizei hätten nicht das Recht, eigenständig ein Geschäft zu schließen, betonte Laurent Mosar. Die Regierung habe eingestanden, dass diese Regelung nicht beabsichtigt war und ungewollt in das Gesetz „hineingerutscht“ sei. Laut Mosar soll sie wieder gestrichen werden. Die DP-Abgeordnete Carole Hartmann ergänzte jedoch, dass aus verwaltungsrechtlichen Gründen im Text präzisiert werden soll, dass ein Minister die Entscheidung zur Schließung eines Geschäfts trifft, die dann von der Polizei lediglich ausgeführt wird. Auf diese Weise könne vor dem Verwaltungsgericht gegen die Entscheidung des Ministers Einspruch eingelegt werden.

Ferner sollen bestimmte Verstöße nicht geahndet werden und es soll auf Eigenverantwortung gesetzt werden. Wenn mehr als vier Personen an einem Tisch sitzen, steht es dem Wirt nicht zu, zu kontrollieren, ob diese Personen in einem Haushalt leben oder nicht. Deshalb sei diese Regelung nicht umsetzbar, betonte Mosar. Marc Baum begrüßte in dem Zusammenhang, dass beide Gesetze stark auf Eigenverantwortung und nicht auf Bestrafung setzen.

Die beiden Covid-19-Gesetze müssen vor dem 24. Juni in Kraft treten und sollen eine Gültigkeitsdauer von einem Monat haben.

CSV und Linke fordern Offenlegung der Daten

Das dritte Gesetzesprojekt „Projet de loi portant abrogation de la loi du 24 mars 2020 portant prorogation de l’état de crise déclaré par le règlement grand-ducal du 18 mars 2020 portant introduction d’une série de mesures dans le cadre de la lutte contre le Covid-19“ legt die rechtliche Grundlage für den Ausstieg aus dem Ausnahmezustand. Mit diesem Entwurf, der lediglich über zwei sehr kurze Paragrafen verfügt, kann verhindert werden, dass die Regierung das Ende des „état de crise“ eigenmächtig dekretiert oder den Ausnahmezustand einfach auslaufen lässt. Wenn das Parlament darüber abstimmt, erhält der Ausstieg eine solidere rechtliche Grundlage. Theoretisch könnte der „état de crise“ mit diesem Gesetz schon vor dem 24. Juni beendet werden. Voraussetzung ist aber, dass alle drei Gesetze gemeinsam angenommen werden. Würde das Parlament nur den Ausstieg beschließen, würden alle während der Krise erlassenen Reglemente hinfällig und die Sicherheitsbestimmungen hätten keine rechtliche Grundlage mehr.

Dieses dritte Gesetz muss mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament angenommen werden, um rechtskräftig zu sein. Vor der Abstimmung müssen alle Gesetze noch vom Staatsrat begutachtet und unter Umständen abgeändert werden.

Marc Baum forderte am Mittwoch erneut die Offenlegung der Berechnungen und Indikatoren, die die Regierung zur Bestimmung der Sicherheitsmaßnahmen herangezogen hat. CSV-Fraktionschefin Martine Hansen hatte diese Forderung bereits am vergangenen Freitag gestellt.

Nach derzeitigem Stand der Dinge könnten die Covid-19-Gesetze mit mehreren Abänderungsanträgen vom Parlament mit großer Mehrheit angenommen werden. Am Freitag findet eine weitere Ausschusssitzung statt. Ob es erneut eine gemeinsame Veranstaltung von Gesundheits- und Justizkommission sein wird, entscheidet die „Conférence des présidents“ am heutigen Donnerstag.