Die Spielplatz-KontroverseVerbot könnte bald der Vergangenheit angehören

Die Spielplatz-Kontroverse / Verbot könnte bald der Vergangenheit angehören
Ein Bild, das womöglich schon in Kürze der Vergangenheit angehören könnte: Heute will die Regierung über eine mögliche Wiedereröffnung der Spielplätze entscheiden. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Nach den Lockerungen der letzten Wochen erhitzt das Spielplatzverbot weiter die Gemüter. Während zuletzt auch Restaurants, Bars, Sport- und Kultureinrichtungen wieder öffnen durften, hat die Regierung weiter an der Schließung der Spielplätze festgehalten. Sehr zum Unmut vieler Eltern. Dabei könnte das Verbot in Kürze wieder der Vergangenheit angehören.

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Aufgrund der jüngsten Erkenntnisse wolle die Regierung ihre Position in dieser Hinsicht nochmals überdenken. Das bestätigt Bildungs- und Kinderminister Claude Meisch (DP). Eine entsprechende Entscheidung könnte bereits am Freitag im Ministerrat getroffen werden. Die Regierung wolle das Thema dann zur Sprache bringen und gegebenenfalls darüber befinden, ob die Spielplätze wieder geöffnet werden können, so der Minister.

Auch wenn die Anfälligkeit von Kindern in der Corona-Krise noch nicht zweifellos geklärt werden konnte, hat sich die Wissenschaft inzwischen aber von der ursprünglichen Annahme abgewendet, dass die jüngere Generation ein besonders bedeutsamer Träger für Übertragungen sei. In anderen Worten: Kinder sind grundsätzlich nicht anfälliger als Erwachsene.

So sieht es auch Prof. Dr. Claude P. Muller vom „Luxembourg Institute of Health“ (LIH): „Mittlerweile belegen mehrere Studien, dass ein großer Teil der Infektionen von sogenannten Superspreadern ausgeht oder von bestimmten Risikogruppen, die stark zur Verbreitung des Virus beitragen. Kinder aber gehören weder zu den Risikogruppen noch zu den Superspreadern“, so der Luxemburger Virologe. „Interessant wäre natürlich zu wissen, wie das in Luxemburg ist.“

Auf der Basis dieses Wissens könnte die Politik Vorteile und Risiken der Entscheidung abwägen. „So gesehen ist die Wiedereröffnung der Spielplätze letztlich eine politische Entscheidung. Da von Kindern keine größere Gefahr ausgeht als von Erwachsenen, können Kinder und Erwachsene von den derzeit niedrigen Fallzahlen profitieren“, erklärt der Experte. Vor diesem Hintergrund kann das Minimalrisiko, das von der Wiedereröffnung der Spielplätze ausgeht, laut Muller durchaus in Kauf genommen werden. Gesunde Kinder seien ohnehin selber kaum von Covid-19 betroffen.

„Keinen Tag länger als nötig“

Zu Beginn der Krise sei die Wissenschaft davon ausgegangen, dass Sars-CoV-2 sich ähnlich wie herkömmliche Grippeviren benimmt und vor allem von Kindern in Schulen verbreitet wird, so Bildungsminister Claude Meisch. Dies sei jedoch nicht der Fall. „Auch gibt es mittlerweile Erkenntnisse, dass sich das Virus an der frischen Luft weitaus langsamer verbreitet als in geschlossenen Räumen“, erklärt Meisch. Angesichts dessen sei es angebracht, die ursprüngliche Entscheidung gegebenenfalls zu revidieren, so der Bildungsminister.

In der gleichen Logik soll auch die strikte Trennung in den Außenbereichen der Schule, wie etwa dem Pausenhof, aufgehoben werden. Begleitend dazu will das Bildungsministerium Pädagogen dazu aufrufen, künftig verstärkt Aktivitäten an der frischen Luft zu unternehmen. Im Gegenzug sei es aber wichtig, so Meisch, den Barriere-Gesten in geschlossenen Räumen umso mehr Bedeutung zuzumessen.

„Dass die Kinder möglicherweise an der frischen Luft wieder miteinander spielen können, bedeutet nicht, dass das auch in den Klassenräumen der Fall ist“, betont der Bildungsminister. Die diesbezüglichen Maßnahmen werden somit aufrechterhalten: Die Klassen werden weiterhin getrennt unterrichtet, die Pausen zeitversetzt abgehalten. „Wir gehen immer noch davon aus, dass sich das Virus vor allem in geschlossenen Räumen bei direktem Kontakt an schnellsten verbreitet“, so Meisch. „Deshalb müssen wir im Innern der Schulen weiterhin Distanz schaffen und mit kleinen Gruppen arbeiten.“ Ansonsten sei das Risiko zu hoch.

Das Spielplatzverbot wird noch am Freitag im Ministerrat zur Sprache kommen. Dann soll sich entscheiden, ob die Regierung an dem Verbot festhält oder nicht. Einen festen Zeitplan gab es bei Redaktionsschluss noch nicht. Sollte sich der Ministerrat aber zur Wiedereröffnung der Spielplätze durchringen, dürfte die Maßnahme recht zeitnah umgesetzt werden. „Die Spielplätze sollen keinen Tag länger als nötig geschlossen bleiben“, verspricht Meisch.

„Eine fadenscheinige Erklärung“

Freuen dürfte es nicht nur die kleinen Nutzer der Spielplätze, sondern auch die zahlreichen Eltern (und Großeltern), die zuletzt nicht mit Kritik gespart hatten. „Während der Ausgangsbeschränkungen hatte ich absolutes Verständnis für die Maßnahme. Jetzt aber, da sich vier verschiedene Haushalte an einem Tisch mischen können, sehe ich das nicht mehr ein“, meint etwa Sandra Apel. Die Kinder lebten nun mal nicht in einer luftdichten Blase, so die Mutter einer Tochter. Sie kämen auch bei anderen Gelegenheiten in Kontakt mit Menschen.

Auch kann Apel das Argument nicht gutheißen, dass Kinder sich kaum an Barriere-Gesten halten. Genau damit aber hatte Staatsminister Xavier Bettel (DP) zuletzt die Entscheidung der Regierung begründet. „Die meisten Kinder werden ja von den Eltern oder Großeltern zum Spielplatz begleitet“, erklärt die junge Frau. „In dem Fall kann man schon an die Verantwortung der Erwachsenen appellieren.“

Marie-Rose Clemens hingegen nennt die Erklärung des Staatsministers „fadenscheinig“. „In der Schule oder in den Tagesstätten müssen die Kinder die Barriere-Gesten auch einhalten. Wieso sollten sie das auf dem Spielplatz plötzlich verlernen?“, so die Großmutter einer Fünf- und eines Siebenjährigen. Beide hätten sich so auf ein Wiedersehen mit ihren Freunden gefreut, dass sie der Oma sogar die Barriere-Gesten erklärt hätten. „Auch Masken haben sie bereits getragen, wenn sie mit den Eltern unterwegs waren. Also: kein Problem!“

Wie sich die Entscheidung der Regierung auf den Alltag auswirkt, kann die Großmutter derzeit tagtäglich in Düdelingen beobachten: Im zentral gelegenen Stadtpark gibt es neben dem Spielplatz auch einen Erfrischungsstand mit Theke und Terrasse, zwei große Wiesen und Wasserspiele. „Alles ist geöffnet, außer der Spielplatz“, meint Marie-Rose Clemens. „Und was machen die Kinder? Sie spielen überall, nur nicht auf dem Spielplatz.“

Auch sei noch lange nicht gewährleistet, dass sich die Erwachsenen auf den Terrassen allesamt an die Barriere-Gesten hielten. „Wie es nach solidem Alkoholgenuss dort zugeht, will ich mir nicht ausmalen“, so die Großmutter, die hinter der Sperrung der Spielplätze auch einen wirtschaftlichen Grund vermutet. Hinter anderen Lockerungen habe eine Lobby gestanden, die ausreichend Druck ausüben konnte. „Kinder aber haben keine Lobby und Spielplätze bringen kein Geld“, so das Fazit von Marie-Rose Clemens.

Eltern übernehmen Verantwortung

„Die Spielplätze befinden sich an der frischen Luft. Worin liegt noch der Unterschied zu Erwachsenen, die sich am Freitagabend vor den Bars der Hauptstadt tummeln?“, fragt Françoise Jaminet. Die Mutter von zwei Kindern kann die Schließung nicht mehr nachvollziehen: „Die Kinder gehen wieder zur Schule, besuchen die ‚Maison relais‘. Sie haben Kontakt zueinander, auch wenn sie eine Maske tragen müssen.“

Ihr falle es schwer, den fünf und acht Jahre alten Söhnen verständlich zu machen, weshalb sie sich nicht auf einem Spielplatz austoben können, um sie herum aber alles wieder scheinbar normal läuft. Vor allem da ihre Kinder die Hygiene-Maßnahmen früh intus hatten. „Das höre ich auch von anderen Eltern. Viele Kinder beherrschen die Griffe besser als so manch ein Erwachsener“, so Jaminet. Es sei nun an der Zeit, den Eltern wieder Verantwortung zu übergeben. „Wir werden schon darauf achten, dass es nicht zu Menschenansammlungen kommt.“

Silvia Napoli befürchtet indessen, dass der Nutzen der Spielplätze unterschätzt wird. Nun hat Napoli zwar eine Tochter im Lyzeums-Alter, doch ihr Sohn sei nur dreieinhalb Jahre alt. Dadurch, dass er ein Jahr „verspielen“ musste, konnte der Kleine auch nicht in die Früherziehung. Bis zum Lockdown hat er die „Bëschcrèche“ besucht, muss wegen Überfüllung jetzt aber zu Hause bleiben. Vor diesem Hintergrund wäre ein Besuch des nahe gelegenen Spielplatzes mehr als nur eine Wohltat.

Man sei auch nicht gegen die ursprüngliche Schließung der Plätze gewesen. „Nun aber, da fast alles wieder offen ist, werde ich das Gefühl nicht los, als seien die Kinder den Politikern nicht wichtig genug“, unterstreicht die junge Mutter. „Mein Sohn hat derzeit keinen Kontakt zu Gleichaltrigen“, stellt Napoli fest. Zwar konnten Mutter und Vater den Dreijährigen in den ersten Wochen noch etwas beschäftigen, da sich beide im Home-Office befanden.

Inzwischen aber fällt es der Familie schwer, sich noch etwas Neues einfallen zu lassen. Dabei hat die Familie den Spielplatz quasi vor der Haustür. „Ein wunderschöner Platz, den die Familien aus der ‚Cité‘ vor einigen Jahren selbst angelegt haben“, erklärt Napoli. Ein Platz, den der kleine Milan mit etwas Glück in einigen Tagen wieder nach Lust und Laune in Anspruch nehmen kann.

wussler
4. Juni 2020 - 13.19

Was für eine Kontroverse? Dass ein paar Leute keine Ahnung haben und Spielplätze mit Gaststätten verwechseln, wo Waschgelegenheiten, Desinfektionsgelegenheiten, Personal die alle Gegenstände mehrmal am Tag desinfizieren usw, vorhanden sind? Spielplätze haben kein Personal, keine Waschgelegenheit oder sonstwas.

de Schmatt
4. Juni 2020 - 12.55

Komisch jahrein jahraus trifft man grösstenteils auf leere Kinderspielplätze.Jetzt, wo sie wegen Corona aus Sicherheits-und Gesundheitsgründen geschlossen sind, können sie nicht schnell genug geöffnet werden. Anscheinend fördern die Pandemie und die entsprechenden Vorkehrungen das Erhitzen der Gemüter. Bei vielen Mitbürgern scheint die Frustrationsschwelle sehr tief angesiedelt.