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Coronakrise in den USA: Von Gourmet-Tempeln zu Volksküchen

Der Starkoch Jose Andres mobilisiert in der Corona-Krise Köche und Küchenhelfer im ganzen Land und verwandelt trendige Restaurants in Washington zu Essensausgaben für Bedürftige.

Wer zahlen kann, wird gebeten, etwas zu geben. Alle anderen werden umsonst bedient.
Wer zahlen kann, wird gebeten, etwas zu geben. Alle anderen werden umsonst bedient. Foto: AFP

Von LW-Korrespondent Thomas Spang (Washington)

Auf dem roten Pflaster markieren helle Streifen den Abstand zwischen den Menschen, die in der E-Street geduldig auf ihr Essen warten. In der Schlange vor dem “Jaleo” stehen viele, die es sich sonst nicht leisten könnten, um Tapas in dem spanischen Trend-Restaurant zu bestellen.

Darunter Obdachlose, Alleinerziehende und ältere Menschen, die sich nicht in den Supermarkt trauen. Wer zahlen kann, wird gebeten, für die Suppe sechs Dollar oder für das Tagesgericht zwölf Dollar zu geben. Alle anderen werden umsonst bedient.

Vor allem Obdachlose, Alleinerziehende und ältere Menschen, die sich nicht in den Supermarkt trauen, nehmen das Angebot von Jose Andres dankbar an und stehen Schlange vor seinem Lokal - natürlich mit dem gebotenen Sicherheitsabstand.
Vor allem Obdachlose, Alleinerziehende und ältere Menschen, die sich nicht in den Supermarkt trauen, nehmen das Angebot von Jose Andres dankbar an und stehen Schlange vor seinem Lokal - natürlich mit dem gebotenen Sicherheitsabstand. Foto: AFP

Das “Jaleo” gehört zu der “ThinkFoodGroup” des spanisch-stämmigen Starkochs Jose Andres, der in der Corona-Krise einmal mehr das Vakuum füllt, das die Verantwortlichen in der Regierung hinterlassen.

“Die Menschen müssen essen”, erklärt er, warum er sich an die Spitze einer Kampagne gesetzt hat, Amerikas Köche, Küchenhelfer und Bedienungen an vorderster Front im Kampf gegen das Virus einzubinden. “Was wir hier machen ist die Blaupause, für das, was geschehen muss, wenn die Dinge wirklich schlimm werden.”

Andres hat eine Menge Erfahrung aus der gemeinnützigen Arbeit, die er seit Jahren mit seiner Organisation “World Central Kitchen” leistet. Der Starkoch mobilisierte nach der verheerenden Hurrikans auf Puerto Rico und den Bahamas, der Cholera-Epidemie in Mosambik und ist bereits seit Tagen in der New Yorker Bronx und im ländlichen Arkansas aktiv.

Jose Andres will auch andere Köche dazu motivieren, den gleichen Weg wie er einzuschlagen.
Jose Andres will auch andere Köche dazu motivieren, den gleichen Weg wie er einzuschlagen. Foto: AFP

Andres schickte seine Teams auf die Kreuzfahrtschiffe mit Corona-Erkrankten, die Donald Trump nicht an Land lassen wollte, und plant nun für Großküchen, die entweder aus Sportstadien oder Veranstaltungs-Zentren Washingtons heraus die Armen der Stadt versorgen.

"Auf das Schlimmste vorbereiten und auf das Beste hoffen"

“Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten und auf das Beste hoffen”, appelliert der kernige Andres an den Kongress, die notwendigen Mittel zur Nahrungsmittelsicherheit bereitzustellen. “Wenn unsere Führer jetzt handeln, können wir Millionen an Jobs erhalten und Millionen Menschen versorgen, die dringend Hilfe brauchen.”

Andres weiß, wovon er spricht: Den älteren Mitbürgern, die sich wegen des Virus nicht mehr in den Supermarkt trauen, den Menschen, die plötzlich ihre Arbeit verloren haben und keine Vorräte anlegen können, und den Kindern und Jugendlichen, deren einzige gesicherte Mahlzeit die kostenlose Schulspeisung war.

Mit gutem Beispiel voran

Dem sozial engagierten Unternehmer schwebt vor, Restaurant und andere wegen der Corona-Krise ruhende Küchen zu einem Netz an Volksküchen zu machen. “Es steht eine ganze Armee amerikanischer Köche bereit, unseren bedürftigsten Bürgern zu helfen.” Andres sieht auch eine Möglichkeit, die Uber- und Taxifahrer bei der Belieferung älterer und kranker Menschen einzubinden.

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Die stillgelegten Schulbusse ließen sich nutzen, auf ihren bisherigen Routen nicht Kinder einzusammeln, sondern Lebensmittel und Essen zu den Familien der rund 20 Millionen Schulkinder zu bringen, die bisher eine freie Schulspeisung erhielten.

Andres geht mit dem “Jaleo” und den anderen Restaurants seines Unternehmens mit gutem Beispiel voran, weiß aber, dass dies “viel zu wenig ist, um uns den beispiellosen Herausforderungen zu stellen, denen wir uns als Nation ausgesetzt sehen.”

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