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Hôpital Kirchberg: Ein Krankenhaus erfindet sich neu

Davon, wie das Hôpital Kirchberg sich binnen weniger Wochen auf die Pandemie eingestellt hat, überzeugten sich am Donnerstag Premierminister Bettel und Gesundheitsministerin Lenert.

Premierminister Xavier Bettel und Gesundheitsministerin Paulette Lenert standen am Donnerstag im Hôpital Kirchberg alle Türen offen – bis auf eine: jene der Corona-Station. Man bedankte sich daraufhin per Handzeichen bei den Mitarbeitern für ihre Arbeit.
Premierminister Xavier Bettel und Gesundheitsministerin Paulette Lenert standen am Donnerstag im Hôpital Kirchberg alle Türen offen – bis auf eine: jene der Corona-Station. Man bedankte sich daraufhin per Handzeichen bei den Mitarbeitern für ihre Arbeit. Foto: Guy Jallay

„Diejenigen, die an vorderster Front stehen, beginnen so langsam, erschöpft zu sein“, so der Leiter der Psychiatrieabteilung der Hôpitaux Robert Schuman, Dr. Jean-Marc Cloos, am Donnerstagmittag vor Journalisten. „Wir sagen ihnen dann, sie sollen nicht damit warten, sich zu melden, bis es nicht mehr geht“, betonte der Facharzt, der sich derzeit ebenso um das Wohl der Krankenhausmitarbeiter als um jenes der Patienten sorgen muss.

Wie der Kampf an eben dieser vordersten Front gegen das Corona-Virus nunmehr sieben Wochen, nachdem der erste Mensch in Luxemburg positiv auf eine Covid-19-Infizierung getestet wurde, aussieht, davon machten sich am Donnerstagvormittag Premierminister Xavier Bettel und Gesundheitsministerin Paulette Lenert im Krankenhaus in Kirchberg ein Bild.

Maßnahmen zeigen Wirkung

Die Botschaft des medizinischen Personals an die politischen Entscheidungsträger war dabei mehr als deutlich: Dadurch, dass die Regierung nicht nur reagiert, sondern präventiv drastische und nicht unumstrittene Maßnahmen ergriffen hat, konnte der Kollaps verhindert werden.

Im Eingangszelt wird die Körpertemperatur automatisch gemessen. Jene des Premiers lag am Donnerstagmorgen bei 36,1 Grad.
Im Eingangszelt wird die Körpertemperatur automatisch gemessen. Jene des Premiers lag am Donnerstagmorgen bei 36,1 Grad. Foto: Guy Jallay

Denn, wie während der Visite mehrfach klargestellt wurde, ist man zwar heute gut aufgestellt, um der Pandemie standzuhalten. Zu Beginn sei man es aus heutiger Sicht aber sicher nicht gewesen.

Hätte es den Lockdown nicht in der Form gegeben, wie er von der Regierung Mitte März angeordnet wurde, wären die Krankenhäuser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Ansturm an Covid-19-Patienten überrollt worden – mit entsprechend dramatischen Folgen.

Scanner retten Leben

Und auch ein zweiter Aspekt, dessen Bedeutung möglicherweise im Informationsüberfluss rund um das Corona-Virus untergeht, wurde am Donnerstag mit aller Deutlichkeit hervorgehoben: Die vier Scannergeräte, die extra für den Kampf gegen die Corona-Pandemie angeschafft wurden – und von denen einer vor dem Hôpital Kirchberg aufgerichtet wurde – retten täglich Menschenleben.

Denn sie sind es, die es ermöglichen, in der Notaufnahme beim Patientenempfang binnen kürzester Zeit einen Corona-Verdacht zu bestätigen oder zu entkräften. Denn in der neu geschaffenen Empfangsstruktur werden nicht nur die Patienten, die wegen anderer medizinischer Diagnostiken behandelt werden müssen, von Corona-Patienten getrennt, sondern auch jene die erwiesenermaßen positiv sind von den Verdachtsfällen.

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Bei einem Lungen-Scan sind nämlich bei einer Covid-19-Infektion eindeutige Merkmale erkennbar. So kann verhindert werden, dass Menschen mit Corona-ähnlichen Symptomen mit tatsächlichen Fällen im Krankenhaus in Kontakt kommen. Andererseits kann dadurch ausgeschlossen werden, dass Covid-19-Patienten aufgrund einer Fehldiagnostik oder eines negativen Testergebnisses wieder unbekümmert nach Hause geschickt werden.

Überhaupt hat sich das Leben im Krankenhaus in Kirchberg – so wie sicherlich auch in allen anderen, in denen Covid-19-Patienten behandelt werden – in den vergangenen sieben Wochen grundlegend verändert. Denn im ganzen Spital wurden rote Covid-19-Bereiche von grünen, sogenannten sauberen Abteilungen getrennt, wobei es keinerlei Überschneidungen geben darf. In beiden Bereichen muss zudem quasi die gesamte Palette an medizinischen Eingriffen möglich sein.

185.000 Artikel gespendet

Diese Umorganisierung stand denn auch im Mittelpunkt der Visite der beiden Regierungsvertreter, die sich dabei viel Zeit für den direkten Kontakt mit den Mitarbeitern und den medizinischen Leitern nahmen – von der Notaufnahme über die Entbindungsstation bis hin zu den Intensivpflegestationen. Schwierigkeiten, die dabei zur Sprache kamen, waren etwa Materialengpässe zu Beginn der Pandemie.

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Hier hatte die Gruppe der Hôpitaux Robert Schuman dann auch frühzeitig auf eine eigene Versorgung parallel zum Stock national des Gesundheitsministeriums gesetzt. Mit Erfolg – auch dank der Spenden aus der Bevölkerung, denn deren gingen ganze 243 Lieferungen ein, mit insgesamt mehr als 185.000 Einzelartikeln. Hier sei man mittlerweile so gut aufgestellt, dass man inzwischen auch anderen Akteuren zur Hilfe kommen könne.

Weiter Weg zurück zur Normalität

Die nächste Herausforderung, die ebenfalls im Gespräch mit der Klinikleitung thematisiert wurde, wird die Wiederaufnahme des Normalbetriebs im Krankenhaus sein – parallel zur Corona-Behandlung. Denn hier besteht großer Nachholbedarf. Zudem scheint es offensichtlich, dass viele Patienten aus Angst vor einer Corona-Infizierung vor Arzt- und Krankenhausterminen zurückschrecken.

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Das betrifft alle medizinischen Bereiche, aber ganz besonders wohl auch die Psychiatrie, wo man sich etwa über die Zunahme von Alkoholkonsum sorgt, die sich verheerend auf bereits bestehende Krankheitsbilder auswirkt. Hier geht man für die Folgezeit der Corona-Pandemie von einer deutlichen Zunahme der Patientenzahl aus.

Gleichzeitig muss aber auch die Pandemie im Auge behalten werden, denn auch hier kann es binnen Tagen zu Veränderungen kommen, welche die derzeitige Sicherheit untergraben können.

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